Vorbemerkung

Die Phraseologie ist in jüngerer Zeit zu einem bedeutenden Forschungsfeld neben und innerhalb der Lexikologie herangewachsen. Dabei wird der Phraseologiebegriff verstärkt in seinem weiteren Sinne gefasst: Untersuchungsgegenstand sind Phraseologismen, die sich durch ihre Polylexikalität und ihre Festigkeit auszeichnen, nicht aber zwangsläufig auch Idiomatizität aufweisen müssen. Es handelt sich also allgemein um jede Art von mehr oder weniger festen Wortverbindungen, die beispielsweise auch nicht idiomatische Kollokationen und strukturelle Phraseologismen umfassen. Dabei liegt das Augenmerk in der Regel auf den normierten, kodifizierten Standardsprachen. Erst in der neueren Forschung richtet sich der Blick zunehmend auch auf mündliche, areal begrenzte Sprachen und Dialekte sowie auf historische Sprachstufen.

Einige neuere Untersuchungen befassen sich mit der Phraseologie des Luxemburgischen (s. unter „Publikationen“), das sprachsystematisch einen dialektalen Charakter aufweist, da es aus dem moselfränkischen Dialektkontinuum hervorgegangen ist. Aus soziolinguistischer Sicht ist Luxemburgisch eine eigenständige Sprache, die mit dem Sprachengesetz von 1984 als Nationalsprache des Großherzogtums und, neben Französisch und Deutsch, als eine der drei offiziellen Sprachen des Landes anerkannt wurde.

Das Projekt

Mit dem Projekt DoLPh – Dynamics of Luxembourgish Phraseology wurde die Phraseologie des Luxemburgischen erstmals systematisch aus diachroner Perspektive untersucht. Angewandt wurden modern methodische Ansätze der modernen Phraseologismusforschung einerseits sowie der Korpuslinguistik und der Digital Humanities andererseits. Die Verknüpfung dieser disziplinenübergreifenden Methoden machte es möglich, am Beispiel des Luxemburgischen ein phraseologisches Nachschlagewerk mit einer neuartigen Konzeption zu entwickeln: die Online-Datenbank PhraseoLux, die die Suche nicht nur nach Stichworten und Konstituenten zulässt, sondern auch nach semantischen und pragmatischen Kriterien.

Diese neue Konzeption wird in PhraseoLux anhand von mehr als 26.000 exemplarischen Belegeinträgen aus dem Luxemburger Wörterbuch (LWB) und einem eigens zusammengestellten Textkorpus vorgestellt. Als Metasprache wurde Deutsch gewählt, weil sich das Projekt methodisch und terminologisch stark an der deutschsprachigen Phraseologieforschung orientiert, insbesondere an der Mischklassifikation phraseologischer Typen von Harald Burger, die von Natalia Filatkina auf die Historische Phraseologie des Deutschen übertragen und von Ane Kleine-Engel an die Bedürfnisse bei der Untersuchung des Luxemburgischen angepasst wurde.

Mischklassifikation phraseologischer Typen nach Burger/Filatkina/Kleine-Engel

  • Sprichwort: syntaktisch vollständiger Satz zur Versprachlichung einer allgemeinen Lebenssituation, oft mit lehrhafter Konnotation
  • Geflügeltes Wort: satzwertige Wendung mit identifizierbarer Quelle, die wörtlich in einer verfestigten Form verwendet wird
  • Gemeinplatz: satzwertige Wendung zur Formulierung von allgemeinen Lebensweisheiten
  • Feste Phrase: satzwertige Wendung, bei der durch anaphorischen Gebrauch explizit ein Bezug zum Kontext hergestellt wird
  • Idiom: feste Wortverbindung mit feststehender übertragener (oft metaphorischer) Bedeutung
  • Kinegramm: feste Wortverbindung, durch die konventionalisiertes nonverbales Verhalten ausgedrückt wird
  • Kollokation: feste Wortverbindung, die nicht oder nur schwach idiomatisch ist
  • Komparativer Phraseologismus: feste Wortverbindung mit einem expliziten Vergleich
  • Onymischer Phraseologismus: feste Wortverbindung, die die Funktion eines Eigennamens übernimmt
  • Paarformel: mindestens zwei semantisch ähnliche oder antonymische Wörter derselben Wortart, die durch Konjunktion oder Präposition miteinander verbunden sind
  • Phraseologischer Terminus: nicht-idiomatischer Terminus mit feststehender Bedeutung innerhalb einer Fachsprache
  • Routineformel: feste Wendung, die einem kommunikativen Zweck dient
  • Struktureller Phraseologismus: feste Wortverbindung mit grammatischer Funktion
  • Mikrotext: abgeschlossene, selbständige Einheit aus festen Sätzen oder Satzteilen, die eine erkennbare kommunikative Funktion erfüllt

Die Datenbank PhraseoLux

Die Datenbank PhraseoLux basiert auf einer modifizierten Version der von dem Kooperationsprojekt HiFoS erstellten MySQL-Datenbank zur Inventarisierung von Phraseologismen. Die Dokumentation und Annotation der einzelnen Belegeinträge erfolgt gemäß der jeweiligen Quelle, alle Belege sind nach den genannten phraseologischen Typen klassifiziert und zum Teil ausführlicher kommentiert. Die Belege aus dem LWB (in der originalen Orthographie) sind zusätzlich mit dem  entsprechenden Wörterbucheintrag im LWB verlinkt. Die Belege aus dem Textkorpus sind an die aktuelle luxemburgische Orthographie angeglichen und durch den zitierten Belegkontext in der originalen Orthographie ergänzt, zusätzlich sind sie mit einer (ausschließlich kontextbezogenen) erklärenden Paraphrase und den Angaben der lexikalischen Bestandteile sowie der zugeordneten semantischen Bereiche versehen. Über die drei Suchfunktionen ist es möglich, die Belege aus dem Textkorpus nach Bedeutungsfunktionen zu bündeln und mit anderen Belegen identischer lexikalischer Bestandteile und/oder ähnlicher semantischer Bereiche zu verlinken.

Wissenschaftliche Publikationen zur Phraseologie des Luxemburgischen in Auswahl

Clees, Robert (2012): Aspekte der historischen luxemburgischen Phraseologie. Diskrepanzen zwischen Gebräuchlichkeit und Historizität von Phraseologismen, in: Natalia Filatkina, Ane Kleine-Engel et al. (Hgg.): Aspekte der historischen Phraseologie und Phraseographie. Heidelberg, S. 181-191.

Filatkina, Natalia (2002): Zum kulturellen Aspekt der Phraseologie des Lëtzebuergeschen, in: Phraseologieforschung in Raum und Zeit. Akten der 10. Tagung des Westfälischen Arbeitskreises „Phraseologie/ Parömiologie“. Hg. v. Elisabeth Piirainen – Ilpo Tapani Piirainen, Baltmannsweiler, S. 33-57.

Filatkina, Natalia (2005): Multi-methodologische Korpuserstellung als empirische Basis für phraseologische und phraseographische Untersuchungen. Am Beispiel des Lëtzebuergeschen, in: E. Eggers/J. E. Schmidt/D. Stellmacher (Hgg.): Moderne Dialektologie – Neue Dialektologie. Akten des 1. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) am Forschungsinstitut für deutsche Sprache „Deutscher Sprachatlas“ der Philipps-Universität Marburg vom 5.-8. März 2003. München, S. 555-572.

Filatkina, Natalia (2005): Phraseologie des Lëtzebuergeschen. Empirische Untersuchungen zu strukturellen, semantisch-pragmatischen und bildlichen Aspekten. Heidelberg, ISBN 978-3-8253-5055-0.

Filatkina, Natalia (2006): Vorüberlegungen zu einem Wörterbuch der luxemburgischen Phraseologie, in: Systemlinguistische Studien zum Luxemburgischen und zum Moselfränkischen. Tagungsbeiträge zum Workshop „Luxemburgisch“ vom 29.08.2001 in Leuven. Hg. v. Claudine Moulin und Damaris Nübling, Heidelberg, S. 247-277.

Filatkina, Natalia (2006): Theorie Revisited. Aspekte der Bildlichkeit im Lëtzebuergeschen, in: Annelies Häcki Buhofer und Harald Burger (Hgg.): Phraseology in Motion I. Methoden und Kritik. Akten der Internationalen Tagung zur Phraseologie (Basel 2004), Baltmannsweiler 2006, S. 115-128.

Kleine, Ane (2011): „fannen as wannen“. Das Phraseologiemodul in LexicoLux, in: Peter Gilles und Melanie Wagner (Hgg.): Linguistische und soziolinguistische Bausteine der Luxemburgistik. Frankfurt: Lang, S. 275-295.

Kleine-Engel, Ane (2012): Some arguments for a historical approach to phraseology in not (fully) standardized languages, in: Natalia Filatkina, Ane Kleine-Engel et al. (Hgg.): Aspekte der historischen Phraseologie und Phraseographie. Heidelberg, S. 127-146.

Kleine-Engel, Ane und Jutta Schumacher (2012): Eine Belegdatenbank zur Phraseologie des Luxemburgischen, in: Ruth Vatvedt Fjeld und Julie Matilde Torjusen (Hgg.): Proceedings of the 15th EURALEX International Congress, Oslo, S. 1031-1043.

Moulin, Claudine und Natalia Filatkina (2007): Luxembourgish Phraseology, in: Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 28/2: Phraseologie, hg. v. Harald Burger et al. Berlin, S. 654-666.

Schumacher, Jutta (2013): Phraseologie in Lehrwerken für Luxemburgisch als Fremdsprache, in: Christine Konecny, Erla Hallsteinsdóttir et al. (Hgg.): Phraseologie im Sprachunterricht und in der Sprachendidaktik. Maribor, S. 89-104.

 

Leitung

Prof. Dr. Peter Gilles

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen

Dr. Ane Kleine-Engel

Dr. Jutta Schumacher

Myriam Hartmann M.A.

Informatiker

Dr. des. Joshgun Sirajzade

Studentische Hilfskräfte

M. Bertemes, L. Miranda Eires, M. Hartmann, G. Losciale, B. Junk, Z. Jacoby

DoLPh war ein Folgeprojekt von zwei früheren Forschungsprojekten:

LexicoLux – (meta-)linguistische Erschließung des Luxemburgischen. Leitung: Prof. Peter Gilles, Prof. Claudine Moulin; Mitarbeit: Dr. Ane Kleine-Engel, Dr. Stefan Büdenbender, Hans-Werner Bartz, Dr. Anne Uhrmacher, Heiko Dostert, Universität Luxemburg.
“Darstellung der Luxemburgischen Phraseologie in der Lexikographie und darüber hinaus”. Leitung: Dr. Ane Kleine-Engel, Dr. Natalia Filatkina, Universität Trier im HKFZ.

 

DoLPh hatte zwei Kooperationsprojekte:

Historische Formelhafte Sprache und Traditionen des Formulierens. Leitung: Dr. Natalia Filatkina, Universität Trier.
Online-Lexikon zur diachronen Phraseologie. Leitung: Prof. Annelies Häcki Buhofer. Universität Basel.